Familienrechtliche Sachverständigen-Gutachten sind für Eltern und Kinder meist von existenzieller Bedeutung. Eine Studie der IB-Hochschule Berlin hat nun ergeben, dass drei von vier Gutachten nicht geeignet sind, um im Prozess verwendet werden zu können. Nun soll eine Reform des Sachverständigenrechts die längst fällige Verbesserung von Qualität und Neutralität gerichtlicher Gutachten in die Wege leiten.

Höhere Ansprüche an Sachverständigen-Gutachten

Fast jeder Anwalt des Familienrechts kennt die Situation. Vor allem in Kindschaftsangelegenheiten sind familienrechtliche Gutachten häufig unumgänglich. Allerdings sind die dann vom gerichtlich bestellten Sachverständigen gefertigten Gutachten von so schlechter Qualität, dass teilweise von einer neutralen Beurteilung nicht gesprochen werden kann. Obwohl für die Beteiligten insbesondere bei Fragen im Sorge-und Umgangsrecht viel auf dem Spiel steht, haben Familienrichter bisher ihre Entscheidungen auf diese mangelhaften Expertisen gestützt. Rechtlich haben sich die Familienrichter damit völlig korrekt verhalten, denn trotz der hohen Brisanz gab es bisher keine verbindlichen Richtlinien für das Erstellen von Gutachten im Familienprozess. Mit dem neuen Gesetz zur Änderung des Sachverständigenrechts soll dieser Missstand nun endlich behoben werden.

Mehr Mitwirkungsrechte für Prozessbeteiligte

Entsprechend der Neuregelung des Sachverständigenrechts sollen jetzt die Parteien beziehungsweise Beteiligten bei der Auswahl des Sachverständigen stärker eingebunden werden. In diesem Punkt waren die Richter in ihren Entscheidungen relativ frei. Jetzt soll ein Sachverständiger erst dann vom Gericht bestellt werden, wenn zuvor alle am Prozess Beteiligten diesbezüglich angehört wurden.

Somit wird dem Anwalt die Möglichkeit eingeräumt, schon vor der Ernennung des Sachverständigen eventuelle Bedenken bezüglich der Neutralität oder Qualifikation betreffend zu äußern. Im Gegenzug hat der Sachverständige das Recht beziehungsweise die Pflicht, etwaige persönliche Zweifel darzulegen, die ein Misstrauen gegen seine eigene Unparteilichkeit begründen könnten.
Qualifikationsanforderungen für Sachverständige

Aber auch hinsichtlich der qualitativen Eignung der Sachverständigen ändert sich mit der gesetzlichen Neuregelung einiges. So dürfen künftig nur noch die Sachverständigen ernannt werden, die entsprechend des § 163 Absatz 1 FamFG eine psychologische, psychotherapeutische, kinder-und jugendpsychatrische, psychatrische, ärtzliche, pädagogische oder auch sozialpädagogische Qualifikation nachweisen können.

Mit dieser gesetzlichen Regelung der Qualifikationsanforderungen bei Sachverständigen trifft der Gesetzgeber endlich die Maßnahmen, die Experten schon seit  Jahren gefordert haben. Parallel dazu sind nun die jeweiligen Berufsverbände dazu aufgefordert, Richtlinien für die qualitativen Mindestanforderungen von Gutachten im Kindschaftsrecht festzulegen.

Für die Sachverständigen beutet das, dass sie ihre Qualifikation durch entsprechende weiterbildende Maßnahmen spezialisieren müssen. Ansonsten könnte sich das Betätigungsfeld als Gutachter in Zukunft erheblich reduzieren. Damit wird gleichzeitig der Ruf nach einem studierten rechtspsychologischen Gutachter laut. Ein solcher Lehrstuhl müsste zumindest mittelfristig von den Universitäten eingerichtet werden.

Sachverständigen droht Ordnungsgeld bei Fristüberschreitung

Ein weiteres, kontrovers diskutiertes Thema ist die Bearbeitungsfrist der Gutachten. Diesbezüglich durchgeführte Untersuchungen haben ergeben, dass das Sachverständigengutachten im Durchschnitt bis zu 40 Prozent der Verfahrensdauer beansprucht. Daher kam es bisher bei jedem zweiten Prozess zu teilweise erheblichen zeitlichen Verzögerungen, da das Gutachten noch nicht fertiggestellt war.

Auch hier hat der Gesetzgeber eine Änderung vorgesehen, indem dem Sachverständigen ein Ordnungsgeld droht, sofern die vereinbarte Frist für das Gutachten nicht eingehalten wird. Bis zu 3.000 Euro kann die Strafe lauten, die für den Schaden veranschlagt wird, die das verspätete Gutachten eventuell im Prozess verursacht hat. Zudem haben die Prozessbeteiligten das Recht nach § 155b ZPO ff. in einem kindschaftsrechtllichen Prozess gegen unbegründete Verzögerungen des Verfahrens rechtliche Schritte einzuleiten.

Viele Fragen bleiben offen

Trotz der Neuregelung des Sachverständigenrechts bleiben dennoch viele Fragen offen. Besondere Bedenken bestehen hinsichtlich der neuen Qualifikationsvoraussetzungen der Sachverständigen, die von Berufsverbänden erstellt werden. Bleibt die Frage, ob die Berufsverbände selbst über eine entsprechende Qualifikation verfügen. Bisher scheint jedenfalls sozialpädagogisches, entwicklungspsychologisches als auch pädagogisch – psychologisches Wissen, wenn überhaupt, eine eher untergeordnete Rolle gespielt zu haben.

Die Alternative, sich durch Weiterbildungsmaßnahmen das fehlende Know-how nachträglich anzueignen, kann sicherlich nur als Zwischenlösung gemeint sein. Zumindest ist fraglich, ob das Wissen eines studierten rechtspsychologischen Sachverständigen tatsächlich durch eine oder auch mehrere Weiterbildungsmaßnahmen ersetzt werden kann. Als Übergangslösung kann diese Vorgehensweise sicherlich sinnvoll sein. Allerdings sollte dabei das Ziel der Reform, das Sachverständigenrecht zum Wohl der Kinder und der Familie gerechter und neutraler zu machen, nicht vergessen werden.

Fazit:

Die Reform des Sachverständigenrechts, wie sie schon seit Jahren von Experten gefordert wird, ist endlich auf den Weg gebracht worden. Insbesondere die zum Teil extremen Verzögerungen bei der Erstellung der Gutachten waren bisher für Eltern und Kinder eine enorme psychische Belastung. Ob sich durch die Androhung von Geldbußen etwas daran ändert, oder ob einfach die Bearbeitungszeit für ein Gutachten in Zukunft von vorne herein höher angesetzt wird, bleibt abzuwarten.
Viel bedenklicher ist, dass wohl auch in Zukunft die Eltern im Fokus der Begutachtung stehen und nicht die Kinder, um deren Wohl es doch im Grunde geht. So wie sich die Reform im Moment gestaltet, hängt das Kindeswohl auch in Zukunft fast ausschließlich von den Eltern und den Einschätzungen der psychologisch – psychatrischen Experten ab. Elementare Fragen, ob beziehungsweise wie sehr das Kind unter der Trennung leidet, welche physischen und psychischen Auswirkungen eine Scheidung beim Kind verursacht, werden anscheinend nach wie vor gutachterlich vernachlässigt.