Wann ist die Not groß genug, um in einem Eilverfahren vor dem Sozialgericht die Übernahme rückständiger Unterkunfts- und Heizkosten durch das Jobcenter einfordern zu können? Mit dieser Frage hat sich unlängst das Bundesverfassungsgericht befasst.

Im Rahmen des Bezuges von Leistungen nach dem SGB-II werden neben dem sogenannten Regelbedarf auch die Unterkunftskosten in angemessener Höhe übernommen. Im Einzelfall kann es aus unterschiedlichen Gründen vorkommen, dass das Jobcenter die tatsächlich dem Vermieter geschuldete Miete für unangemessen hält und diese im Rahem des Sozialleistungsbezuges nur anteilig bewilligt und überweist.

Der Leistungsempfänger hat dann die Möglichkeit die Kürzung der Unterkunftskosten mittels eines Widerspruches und im Falle eines ablehnenden Widerspruchsbescheides mittels einer Klage vor dem Sozialgericht überprüfen zu lassen. Damit ist dem Leistungsempfänger aber nicht geholfen, denn die Rechtsmittelverfahren dauern regelmäßig jahrelang, bis eine erstinstanzliche Entscheidung des Sozialgerichtes vorliegt. Solange ist der Vermieter  aber selten bereit, auf Teile seiner vertraglich vereinbarten Miete zu verzichten.

Spätestens dann, wenn die Mietrückstände in der Summe zwei volle Monatsmieten betragen, droht dem Leistungsempfänger eine fristlose Kündigung seines Mietverhältnisses. Dem Leistungsempfänger bleibt zur Abwendung eines drohenden Wohnungsverlustes daher häufig nur die Anstrengung eines sozialgerichtlichen Eilverfahrens.

Voraussetzung für eine vorläufige sozialgerichtliche Eilentscheidung ist jedoch ein besonderer Eilbedarf, der sogenannte Anordnungsgrund. In der Rechtsprechung der Sozialgerichte war bislang umstritten, wann genau bei rückständigen Unterkunftskosten dieser Anordnungsgrund vorliegt.
Einige Landessozialgerichte vertraten die Auffassung, dass der vorgeschriebene Eilbedarf jedenfalls fehlen würde, solange der Vermieter noch keine Räumungsklage erhoben habe. Bis zur Erhebung der Räumungsklage ist es dieser Auffassung zufolge für Sozialleistungsbezieher nicht möglich, eine gerichtliche Eilentscheidung zu ihren Gunsten zu erwirken.

Dieser Rechtsprechung ist das Bundesverfassungsgericht in der aktuellen Entscheidung vom 01.08.2017 entgegengetreten (BVerfG 1 BvR 1910/12). Das BVerfG rügt, dass einzelne Landessozialgerichte zu hohe Anforderungen an den Eilbedarf stellen würden. Ein Anordnungsgrund für eine Eilentscheidung liege keineswegs schematisch erst dann vor, wenn eine Räumungsklage durch den Vermieter erhoben werde.

Die Übernahme der Unterkunftskosten für den gewählten Wohnraum in dem konkreten sozialen Umfeld sei Bestandteil des Existenzminimums. Es müsse daher im Einzelfall eine umfassende Interessenabwägung durchgeführt werden. Dabei müsse eine drohende Verschlechterung des Verhältnisses zwischen dem Leistungsempfänger und seinem Vermieter ebenso berücksichtigt werden, wie die drohenden Kosten einer Räumungsklage, die regelmäßig den Leistungsempfänger belasten würden.

Für Arbeitslosengeldempfänger wird es zuküntig leichter sein, schon vor Erhebung einer gegen sie gerichteten Räumungsklage sozialgerichtlichen Eilrechtsschutz zu erlangen. Da das Bundesverfassungsgericht eine umfassende Berücksichtigung der drohenden Nachteile fordert, sollte in diesem Punkt jedoch in der Antragsbegründung an das Sozialgericht sorgfältig und ausführlich argumentiert werden.